- johannameyerding
Wut - Warum sie so wichtig ist und was sie mit Mother Empowerment zu tun hat
Aktualisiert: 4. Okt.

Vor ein paar Wochen hatte ich eine Auseinandersetzung mit der Mutter einer Klassenkameradin meiner Tochter. Diese hatte in meinen Augen eine massive Grenze überschritten und ich habe das entsprechend klar kommuniziert. Daraufhin unterbrach sie die Kommunikation mit dem Hinweis, sie würde sich mit meiner Wut-Energie nicht auseinandersetzten wollen.
Ich fühle mich ertappt!
Wut ist doch etwas Schlechtes, oder?
Als Coach und reflektierte Frau sollte ich doch sanft, herzöffnend und wohlwollend kommunizieren, oder?
Statt deutlich meine Verärgerung zu zeigen, sollte ich doch lieber Verständnis suggerieren und versuchen lösungsorientiert zu kommunizieren, oder?
Ein paar Tage später hatte ich eine Sitzung mit einer wundervollen Klientin. Sie hat sich gerade von einem Burnout erholt und versucht nun herauszufinden, wie es für sie beruflich weitergehen könnte. Mit 3 Kindern ist das natürlich kein leichtes Unterfangen und wir sprachen darüber, wie sie sich ein wenig Raum schaffen könne. Ihr Wunsch war, wenigstens in Ruhe kochen zu können, ohne dass die Kinder ständig etwas von ihr wollen würden. Sie würden es einfach nicht akzeptieren, wenn sie "Nein" sage.
Als ich sie fragte, was sie denn mache, wenn die Kinder ihre Grenzen überschritten, sagte sie, dass sie versuche, geduldig zu erklären.

Die meisten Mütter, die ich kenne, haben ein Problem damit, ihre Grenzen zu wahren. Warum ist das so?
Ich denke, dass das Mutterbild in unserer Gesellschaft einen entscheidenden Teil dazu beiträgt. Um das zu verstehen, müssen wir uns eigentlich nur einmal anschauen, wie dieses Bild genau aussieht. Welche Eigenschaften werden Müttern denn eigentlich zugeschrieben?
Die Liste ist lang und klingt wie das Sinnbild einer perfekten Mutter:
liebevoll
fürsorglich
opferbereit
geduldig
unterstützend
weich
nachgiebig
wohlwollend
sanftmütig
aufopferungsvoll
selbstlos
Und nun frage ich mich, wo bei diesen strengen Anforderungen haben Gefühle Platz, die nicht so angenehm sind. Gefühle, wie beispielsweise Wut und Ärger. Haben Mütter so etwas überhaupt? Dürfen gute Mütter diese Gefühle überhaupt haben? Offensichtlich nicht!
Dabei gehört Wut zu den sieben Grundgefühlen!
Im Laufe ihrer Sozialisierung erfahren Frauen allerdings von klein auf, dass Wut etwas Falsches, Abzulehnendes ist. Oft erleben Mädchen auch, dass ihre Wut belächelt wird.
Die Folgen sind unter anderem:
Mütter, die voller Schuldgefühle abends im Bett liegen und sich Vorwürfe machen, wenn sie an der einen oder anderen Stelle im Alltag diesem Bild nicht entsprochen haben.
Mütter, die sich permanent verausgaben und mit Erschöpfung und Müdigkeit zu kämpfen haben
Mütter, die immer weiter über ihre Grenzen gehen und sich verzweifelt nach ein wenig Raum für sich sehnen
Mütter, die sich schlecht fühlen, wenn sie ihren Kindern gegenüber Grenzen wahren möchten und meist gar nicht wissen, wie das geht.
Neulich fragte mich eine Mutter, wie sie denn dafür sorgen könne, dass ihre Tochter für sich einstehen könne.
Natürlich sind wir als Eltern da gefragt und können einen wichtigen Grundstein legen, indem wir unseren Kindern Selbstwirksamkeit ermöglichen und ihre Grenzen wahrnehmen und auch jederzeit wahren.
Leben wir aber unseren Kindern etwas anderes vor, reicht das leider nicht.

Wenn meine Grenzen verletzt werden, obwohl ich "Nein" sage, darf ich mich ärgern und ja, auch wütend werden!
Ich rede hier nicht von einer zerstörerischen, gefährlichen, unkontrollierten Wut, die sich in verbaler Gewalt und Schuldzuweisungen äußert, sondern von einer ganz gesunden Wut, die ein Indikator dafür ist, dass mein Gegenüber zu weit gegangen ist, dass meine persönlichen Grenzen überschritten wurden.
Das dürfen und müssen auch unsere Kinder erleben. Sie dürfen lernen, wie Mensch sein funktioniert, das wir alle unterschiedlich sind und dass es ganz normal und völlig in Ordnung ist, für sich selber einzustehen. Sie dürfen ebenfalls lernen, dass es in Ordnung ist, Emotionen auszudrücken. ALLE Emotionen und nicht nur die "Guten". Wie sollen sie lernen, ihre Wut zu regulieren und auf eine gesunde Art und Weise damit umzugehen, wenn wir unsere eigene Wut unterdrücken oder verleugnen.
Ich möchte meiner Tochter nicht beibringen, dass eine Frau immer freundlich und geduldig ihr Bedürfnis und ihre Grenzen erklärt und rechtfertigt und versucht etwas auszuhandeln, auch wenn ihr Gegenüber nicht aufhört, ihre Grenzen zu überschreiten.
Ich möchte außerdem nicht, dass sie in dem Glauben auswächst, dass Frauen und Mütter sich schuldig fühlen müssen, wenn sie laut und deutlich "Nein" zu etwas oder jemandem sagen.
Ich möchte meinem Sohn nicht beibringen, dass MANN nur lange genug diskutieren muss, damit das Gegenüber nachgibt oder, dass es in Ordnung ist, die Grenzen des Gegenübers zu ignorieren.
"Nein heisst Nein" ist auch in der Begleitung von Kindern keine Einbahnstrasse. So, wie wir Erwachsenen zwingend die Grenzen unserer Kinder respektieren müssen, dürfen unsere Kinder ebenso lernen, dass wir Erwachsenen auch unsere persönlichen Grenzen wahren dürfen.
Nun zurück zu uns Müttern!
Wenn wir verstehen, dass wir einem unerreichbaren Idealbild hinterher rennen, welches wir unter keinen Umständen erfüllen können, dass wir keine schlechte Mutter sind, wenn wir unsere Grenzen wahren und dass wir verdammt nochmal wütend sein dürfen, haben wir einen großen Schritt in Richtung Selbstfürsorge getan.
Wir könnten unsere Wut dann auch dafür nutzen, uns gegen dieses unrealistische Mutterbild zu wehren. Just saying!
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